Letzte Aktualisierung:
08. Januar 2024 10:00
Wir begrüßen dich auf der Homepage der
Selbsthilfgruppe schreiben und leben
kurz gesagt: wer sind wir?
Ehemalige und aktuelle Patienten von Fachkrankenhäusern für Psychiatrie und Psychosomatik, seelisch und psychisch kranke Menschen und deren Angehörige treffen sich regelmäßig. Eigene Texte werden gelesen und besprochen oder auch nur zugehört. Über das, was einen bewegt zu schreiben, hilft mit bzw. nach der Erkrankung ins Leben zurückzufinden, aus der Isolation auszubrechen und wieder Lebensfreude zu empfinden
was machen wir?
In der Jerichower Selbsthilfegruppe versuchen Menschen einschneidende Lebensveränderungen zu verarbeiten. Die Beschäftigung mit selbst verfassten Texten wirkt dabei wie eine Heilmethode.
Dutzende Studien haben deren Effekt bekräftigt, etwa bei Menschen mit Depressionen und manchen Posttraumatischen Belastungsstörungen, aber auch für Rheumakranke und Herzinfarktpatienten.
Aus unserer Erfahrung trägt das Schreiben dazu bei, Kontrolle über das eigene Leben zu erlangen. Wer Gedanken und Gefühle, die vielleicht nie ausgesprochen oder mühsam verdrängt worden sind, schriftlich festhält, kann seine Emotionen anschließend besser steuern – und befreit ganz buchstäblich sein gesamtes Denken, weil sein Gedächtnis nicht mehr ständig um die immer gleichen Probleme kreist. Und wer sich schreibend mit den Herausforderungen seines Lebens auseinandersetzt, findet eher Sinn darin, diese Schwierigkeiten überstanden zu haben.
Vom (therapeutischen) Schreiben profitieren besonders Menschen, die Probleme mit der Verarbeitung traumatischer Erlebnisse haben: Sie können diese dabei mit anderen - wichtigen – Lebensereignissen verbinden und so in das gestörte Selbst- und Weltbild integrieren.
Dabei vermag das Aufschreiben auch ein Ersatz für Aussprechen zu sein. Denn neben allen anderen psychischen Folgen belastender Ereignisse leiden viele Betroffene häufig darunter, sich durch Schweigen zu isolieren – aus Angst vor den Reaktionen anderer, vor Unverständnis, Ablehnung, Verurteilung. Schreibend können sie sich an ein gedachtes Gegenüber wenden, das zuhört wie ein Therapeut, kommentarlos und ohne Urteil, um den Autor eigene Schlüsse ziehen zu lassen, selbst Sinn im Erlebten zu finden.
Schreiben hilft, das Denken zu ordnen. Dazu kann man strukturiert vorgehen, sich beispielsweise in einem Text nur auf die Fakten konzentrieren, in einem zweiten auf die Emotionen und im dritten auf ein positives Zukunftsszenario. Aber man kann seine Gedanken und Gefühle auch völlig unstrukturiert fließen lassen, chaotisch. Das Geschriebene ist in diesem Zusammenhang zunächst nicht dazu bestimmt, dass irgendjemand anderes es zu lesen bekommt. Im nächsten Schritt kann man Mut fassen, seine Texte im geschützten Raum den Gruppenmitgliedern vorzulesen.
Eine Gruppenregel lautet, die Gefühle des anderen zu respektieren und ihm in seiner Trauer, Zorn, Verletzung beizustehen. Wir wollen uns ermutigen, Aufmerksamkeit auf die schönen Dinge des Lebens zu richten und vor allem beschreiben, wie wir durch den Schmerz hindurch kommen in ein neues Wohlbefinden mit uns Selbst und unserer Umwelt.
Humor ist ein wichtiger Teil bei unserer Tätigkeit, damit wir uns befreien aus Festlegungen, schlechtem Selbstwertgefühl und Klagen.
Philosophische Einsichten können helfen, die Krankheit zu bewältigen. Glaubensfreiheit und Respektvoller Umgang mit religiösen Überzeugungen sind erwünscht. Und vor allem ist die radikale Akzeptanz der Sichtweise der anderen Voraussetzung für hilfreiches Arbeiten.
Diese Methode mag simpel klingen, aber sie ist wirkungsvoll: Das Schreiben hilft dabei, wieder ein Gefühl der Selbstwirksamkeit zu gewinnen und das Denken zu ordnen – und ganz allmählich auch andere, positive Gedanken zu entwickeln.
Hat man dies geschafft, gehen die meisten auch den nächsten Schritt und trauen sich aus der äußeren Isolation heraus. Im Schutz der Gruppe lesen sie möglicherweise ihre Texte in der Öffentlichkeit oder beteiligen sich an Schreibaufrufen. Ein großer Erfolg war die Veröffentlichung der komplett in Eigenregie entstandenen Anthologie „…und dann kamen die Gedanken“ (ISBN 978-3-7519-5132-6) anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Jerichower Schreibrunde, die Vorgänger dieser Selbsthilfegruppe war.
Das Ziel der Selbsthilfegruppe
Das übergreifende Ziel ist, sich in der Gemeinschaft und im Austausch mit Gleichbetroffenen selbst zu helfen,
- ein Problem loszuwerden, zu begrenzen oder besser auszuhalten
- existenzielle Lebensthemen zu bearbeiten
- Krankheit, persönliche und soziale Probleme mit Hilfe der Selbsthilfegruppe besser zu bewältigen
- sich selbst zu erforschen und im Spiegel der anderen zu finden. Andere über ihre Situation sprechen zu hören, hilft, den eigenen Standort zu finden.
- Isolation entgegenzuwirken: Man ist mit seinen Problemen nicht allein. Überwindung von äußerer Isolation (sozial, gesellschaftlich) und innerer Isolation (persönlich, seelisch) durch ein Gefühl der Zugehörigkeit zu anderen Gleichbetroffenen.
- neue Lebensqualität - trotz Erkrankung, Behinderung, Belastungen oder „anders sein“ – zu erlangen
- Vergangenheit aufzuarbeiten
- persönliche Lebensumstände zu verändern
- neues Verhalten auszuprobieren
- Wir wollen auch in unser soziales und politisches Umfeld hineinwirken, z. B. auf Mängel oder „blinde Flecken“ hinweisen und zu Verbesserungen beitragen.